Wikipedia liefert folgende Antwort auf diese Frage: „Effectuation ist eine unternehmerische Entscheidungslogik, die in Situationen der Ungewissheit eingesetzt werden kann. Sie basiert nicht auf vergangenheitsbezogenen Daten und darauf gründenden Vorhersagen der Zukunft. Der Ansatz wird vor allem bei der Entwicklung von Geschäftsmöglichkeiten und Geschäftsmodellen in Situationen angewandt, in denen belastbare Prognosen aufgrund hoher Unsicherheit nicht möglich sind.“
Projekte mit einem hohen Grad an Neuartigkeit und Innovation können von diesem Ansatz in der Vorbereitung und Durchführung profitieren. Ich selbst bin 2016 auf einem PM-Camp in Dornbirn auf diesen Ansatz gestoßen. Genutzt habe ich den Ansatz dann gleich bei meinem Gang in die Selbstständigkeit. Hier war aktives Gestalten der Zukunft in einem Umfeld notwendig, das von neuen Rahmenbedingungen mit entsprechender Unsicherheit geprägt war. Und genau hier hat dieser Ansatz seine Stärke. Denn eine genaue Planung oder treffsichere Vorschau war nicht möglich und machte nur bedingt Sinn. Seit dieser Erfahrung sind Prinzipien, Prozess und Haltung ein fester Bestandteil bei Entscheidungen unter Ungewissheit und der Gestaltung von Vorhaben, um Neues in die Welt zu bringen.
Vertiefung und neue Erkenntnisse zur Stärkung der Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit durfte ich 2019 bei Michael Faschingbauer erfahren. In diesem Beitrag beschreibe ich das Framework mit seinen Prinzipien und Prozess.
Bringt man etwas Neues in die Welt, gehört Ungewissheit einfach dazu. Und Ungewissheit ist etwas anderes als Risiken. Führen wir eine neue ERP-Software in ein Unternehmen, liegen Erfahrungswerte aus ähnlichen Projekten vor. Planung und Steuerung dominieren. Unsicherheiten werden in der Planung mit Zuschlägen, Eintrittswahrscheinlichkeiten und Risikowerten managebar gemacht. Änderungen werden meist als Abweichung vom Plan und als negativ bewertet.
Für die Entdeckung und Erkundung neuer Geschäftsfelder und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle ist dieser von Planung und Steuerung dominierte Ansatz nicht wirklich tauglich. Die Entstehung des ersten Online-Auktionshauses eBay war nicht von Anfang an ein durchgeplantes Vorhaben und die Erfolgsaussichten waren nicht vorhersagbar. In solchen Fällen dominiert nicht der im Management vorherrschende Ansatz der Planung und Steuerung. Hier ist unternehmerisches Denken und Handeln gefragt!
Die Entrepreneurship-Forschung in den USA ging der Frage nach, wie erfahrene UnternehmerInnen denken, entscheiden und handeln. Daraus entstand der Ansatz Effectuation, der auf vier Prinzipien und einem Prozess basiert, der sich vom klassischen Management mit kausalem Denken grundlegend unterscheidet. Die gute Nachricht: Dieser Ansatz ist erlernbar.
Prinzip 1: Mittelorientierung statt Zielorientierung
Beginne mit dem, was verfügbar ist. Das sind Wissen, Ressourcen und Netzwerke. Vermeide zu Beginn ferne Ziele, zu denen Dir jegliche Mittel fehlen. Finde Ziele und Ergebnisse, die Du mit Deinen verfügbaren Mitteln erreichen kannst.
Prinzip 2: Leistbarer Verlust statt erwarteter Ertrag
Lege den Fokus auf leistbare Einsätze (Geld, Zeit, Sachmittel) und nicht auf erhoffte Erträge, die völlig ungewiss zu diesem Zeitpunkt ist. Bring den Einsatz, den Du zur Not auch verschmerzen kannst, falls dein Vorhaben in eine Sackgasse führt.
Prinzip 3: Gelegenheiten nutzen statt Störungen vermeiden
Nutze Umstände, Zufälle und Ungeplantes als Gelegenheiten, anstatt sie als Störungen anzusehen und dich dagegen abzugrenzen. Nutze das agile Prinzip und heiße Änderungen willkommen, statt sie mit viel Energie abzuwehren.
Prinzip 4: Vereinbarungen und Partnerschaften statt Abgrenzung und Konkurrenz
Treffe Vereinbarungen mit Menschen und Organisationen, die früh bereit sind, sich einzubringen. Bilde Partnerschaften mit denen, die sich beteiligen und einbringen wollen, statt Zeit mit Abgrenzung und der Suche nach den „richtigen“ Partnern zu verschwenden.
Die klassische Managementlogik folgt der Annahme, dass wir alles, was vorhersagbar und planbar ist, auch steuern und gestalten können. Dieser Annahme folgend nutzen wir ein planungsorientiertes Vorgehen, das wir aus Projekt- und Linienmanagement kennen. Geeignet ist diese Herangehensweise bei Vorhaben in stabilen Umfeldern, vorhersehbaren Entwicklungen, bekannten Technologien und klaren Anforderungen.
Ob wir in diesem Modus starten oder ein unternehmerisches Denken und Handeln die passendere Alternative ist, hängt vom Grad der Ungewissheit unseres Vorhabens ab. Effectuation unterscheidet sich in Vorgehen und zugrundeliegender Haltung vom klassischen Management. Grundannahme dabei ist: Die Zukunft ist ungewiss, nicht vorhersehbar, doch gestaltbar. Und alles, was wir gestalten können, brauchen wir nicht vorhersagen. Was der Ansatz nicht ist: Ohne Richtung und planlos, ziellos, irrational oder intuitiv.
Der Effectuation-Prozess unternehmerisch Denken und Handeln, in dem die zuvor beschriebenen Prinzipien wirken:
Starten wir mit dem Effectuation-Ansatz, gilt es, rechtzeitig umzuschalten. Und das Umschalten von einem Modus in den anderen ist dann sinnvoll, wenn es auf Effizienz statt Effektivität ankommt. Oder anders ausgedrückt: Wenn wir genug wissen, um Ziele zu bilden, Vorhersagen und Pläne zu machen und mit angemessener Steuerung, Ergebnisse abzuliefern und Erfolge zu erzielen.
Hier noch kurz einen Buchtipp: „Effectuation: Wie erfolgreiche Unternehmer denken, entscheiden und handeln“ von Michael Faschingbauer, erschienen bei Schäffer Poeschel, 2017.